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notJustCoding ist der Tech-Podcast für alle, die mehr wollen als Buzzwords. Ursprünglich von Novatec gestartet, wird der Podcast ab 2025 von CGI weitergeführt – mit neuen Perspektiven, bewährtem Tiefgang und aktuellen Technologien. Die bisherigen Folgen bleiben als Archiv zugänglich – gekennzeichnet als „ehemals Novatec“.
In dieser Tech Insight-Folge spricht Host Paulo mit Fabian Ritter, Smart Factory-Experte und Managing Consultant. Gemeinsam beleuchten sie praxisnah, wie Unternehmen in der Fertigungsindustrie durch den Einsatz von Internet of Things (IoT) und künstlicher Intelligenz (KI) ihre Produktionsprozesse optimieren und langfristig wettbewerbsfähig bleiben.
Ein besonderes Highlight der Episode ist das Beispiel eines deutschen Automobilherstellers, der durch den Einsatz von KI in der Lackieranlage beeindruckende 20 % Energie einsparen konnte.
Themen der Folge
- Wie IoT-Lösungen Fertigungsprozesse messbar verbessern
- Praxisbeispiel: 20 % Energieeinsparung durch KI in der Automobilbranche
- Die Bedeutung einer langfristigen Digitalisierungsstrategie
- Tipps zur erfolgreichen Implementierung von Smart Factory-Konzepten
Drei zentrale Erkenntnisse
- IoT ist längst Realität und entscheidend für moderne Produktionsprozesse.
- Datenbasierte Optimierung spart signifikant Energie und Kosten.
- Digitalisierung ist kein Projekt, sondern eine strategische Daueraufgabe.
Für wen ist diese Folge relevant?
Diese Episode richtet sich an Unternehmen in der Fertigungsindustrie, IT- und Digitalisierungsverantwortliche, Produktionsleiter sowie Führungskräfte, die zukunftsfähige Strategien für smarte Produktionsprozesse entwickeln möchten.
- Transkript
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Paulo: Ich würde mal sagen, wir sprechen heute über das Thema Digitalisierung – mit Bezug auf die Fertigung, also die fertigende Industrie, oder? Somit willkommen! Hallo, Fabian. Du bist das erste Mal im Podcast dabei?
Fabian: Ja, das ist richtig.
Paulo: Ich freue mich sehr, dass du da bist. Ich habe hier jemanden vor mir, der viel Erfahrung mit Fertigungsthemen mitbringt – und insbesondere mit Digitalisierung und IoT. Genau darüber wollen wir heute sprechen.
Bevor wir aber ins Thema einsteigen: Stell dich doch bitte einmal vor.
Fabian: Gerne. Ich bin Fabian Ritter. Mein Standardspruch ist: „Im Herzen bin ich Maschinenbauer.“ Das habe ich in Karlsruhe studiert – mit Vertiefung in Mechatronik und Mikrosystemtechnik, also schon in die digitaler Richtung des Maschinenbaus.
Ich war dann lange im Maschinenbau tätig – das hat viel Spaß gemacht. Jede Maschine ist anders. Ich bin dort stark in die Elektrik, Elektronik und auch in die Programmierung „abgerutscht“.
Paulo: Auch in die Programmierung?
Fabian: Ja, tatsächlich war das noch der geringste Teil. Vielmehr hat mich das ganze Drumherum interessiert – Prozesse, Digitalisierung. Anlagen werden ja nicht nur durch Programmierung digitaler.
Paulo: Digitalisierung – ein riesiger Begriff. Ein Buzzword, oder?
Fabian: Ja, der „Buzz“ ist schon aus dem Wort raus. Das Thema begleitet uns aber schon viele Jahre – zumindest alle, die in dem Bereich tätig sind. Und trotzdem gibt es noch viele Dinge, bei denen wir sagen: „Eigentlich wissen wir es doch schon – warum tun wir es nicht?“
Paulo: Du hast also Maschinenbau studiert?
Fabian: Genau. Einen richtigen „Sondermaschinenbau“-Studiengang gibt es ja nicht. Ich habe damals noch mit Diplom abgeschlossen – das gibt’s heute kaum noch. Wir haben tatsächlich noch mit Tusche gezeichnet – auch in Prüfungen.
Das war lehrreich. Im Kontext von Digitalisierung ist das etwas, das einem heute fast verloren geht.
Paulo: Warum?
Fabian: Weil man sich früher viel mehr Gedanken gemacht hat. Und auch nicht zurück – einfach nur „Strg+Z“ kurz machen, das geht halt nicht. Also musst du dir vorher mal ein paar Gedanken machen. Natürlich verliert man da auch an Geschwindigkeit – weil wir haben da irgendwie, keine Ahnung, wie viele Stunden an so einem Getriebekasten rumkonstruiert – in der Prüfung. Aber das ist durchaus was, was man irgendwie mitnimmt. Also will ich nicht missen. Würde ich jedem empfehlen, so was auch mal zu machen im Studium – auch wenn es dann später im Prinzip egal ist.
Paulo: Egal ist es ja wahrscheinlich nicht – wie du sagst – der Prozess an sich wahrscheinlich nicht, aber du musst ja die ganzen Komponenten aus dem Effeff kennen, oder? Je nachdem, was du machst, nutzt du vermutlich auch vorgefertigte Komponenten, die du einsetzen kannst.
Fabian: Genau. Am Ende ist es die gleiche Tätigkeit: Du hast eine Aufgabe, willst eine Drehung in eine andere Bewegung umwandeln. Du musst das Ganze lagern, Kräfte berücksichtigen, das Gewicht beachten. Am Schluss soll es nicht kaputt gehen – aber auch nicht zehn Kilo wiegen, wenn es für ein Fahrrad ist. Du musst austarieren, rechnen, prüfen. Die Bausteine sind die gleichen, der Prozess ebenfalls – nur heute eben anders umgesetzt.
Paulo: Also deutlich mehr Arbeit früher?
Fabian: Logischerweise. Wenn ich mir alte Bilder anschaue: Da haben Leute schon vor 25 oder 30 Jahren komplexe Maschinen gezeichnet – auf großen Papierplänen, übereinandergelegt. Das musste alles stimmen, obwohl man noch nicht digital arbeiten konnte. Beeindruckend.
Paulo: Glaube ich dir sofort.
Fabian: Ich bin froh, dass wir heute andere Werkzeuge haben – mit all den Vorteilen der Digitalisierung, wie Versionsverwaltung usw. Aber man sollte anerkennen, was das früher für eine Leistung war.
Paulo: Ja, definitiv. Und dann hast du ja gesagt, du wolltest mehr in Richtung Digitalisierung – weil dich das interessiert hat?
Fabian: Genau. Ich glaube, das geht vielen so: Wenn man für Digitalisierung brennt, sieht man schnell auch Verbesserungspotenziale – oft erstmal im eigenen Unternehmen. Das war bei mir genauso. Ich habe gemerkt: „Da ist was ineffizient – warum machen wir das nicht anders?“ Und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich gesagt habe: Das ist mein Weg.
Paulo: Und heute bist du bei Novatec als Managing Consultant. Was genau machst du da – also konkret im Bereich Digitalisierung in der Fertigung?
Fabian: Wir sind organisatorisch im Bereich IoT und New Business Development verankert. Diese beiden Schwerpunkte gehören zu meinen Aufgaben. Zum einen neue Geschäftsmodelle, neue Kunden, neue Ideen – auch in ganz anderen Branchen. Zum anderen natürlich IoT, das sich hervorragend für viele Digitalisierungsthemen einsetzen lässt und vieles vereinfacht.
Unsere Kunden kommen überwiegend aus dem Manufacturing-Bereich. Die Fragestellungen sind aber sehr unterschiedlich – von mobilen Arbeitsmaschinen im Smart-Product-Kontext, die Daten erfassen, bis hin zu Produktionsanlagen in Hallen, die transparent gemacht werden sollen. Oder es gibt allgemein den Wunsch, mehr über die eigenen Prozesse zu erfahren. Oft haben Unternehmen schon Verbesserungspotenziale identifiziert und brauchen Unterstützung bei der Umsetzung.
Dabei arbeiten wir sehr eng mit unseren Data-Kollegen zusammen – das geht Hand in Hand. Das sind grob die Kerngebiete, in denen wir tätig sind.
Paulo: Wenn du auf die aktuellen Prozesse in der Fertigung schaust – sind wir da mit klassischen Methoden wie Automatisierung und Lean nicht schon ziemlich weit? Oder geht da noch was?
Fabian: Eine provokante These: Wer jetzt noch mit Lean oder Automatisierung anfängt, ist eigentlich zu spät dran. Das sollte längst im Unternehmen verankert sein. Nicht als abgeschlossener Zustand – Lean lebt ja von kontinuierlicher Verbesserung – aber als etablierter Prozess. Dasselbe gilt für Automatisierung: Man muss sich bewusst fragen, was sinnvoll ist zu automatisieren und was nicht.
Fabian: Aber dort sind wir ziemlich ausgereizt. Viele große Hersteller sagen: Die Potenziale dort sind weitgehend gehoben. Die nächsten großen Hebel liegen in der Digitalisierung.
Paulo: Was hat das mit der sogenannten „VUCA-Welt“ zu tun?
Fabian: Wir leben in einer extrem schnelllebigen, unsicheren Welt. Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz passieren heute in Wochen – nicht in Jahren. Als SPS eingeführt wurde, hat es Jahre gedauert, bis sie flächendeckend genutzt wurde. Heute sehen wir, wie neue Technologien wie KI sich in Produktionsumgebungen innerhalb weniger Monate etablieren.
Paulo: Auch in der Praxis – nicht nur in Prototypen?
Fabian: Definitiv. Beispiel: Mercedes-Benz hat im Werk Rastatt mit KI in der Lackieranlage 20 % Energie eingespart. Und das ist kein Laborprojekt – das läuft. Kamerabasierte Qualitätskontrollen lassen sich heute in Tagen implementieren. Die Tools sind da, die Integration ist schnell. Das wäre früher undenkbar gewesen.
Paulo: Also das heißt: Auch wirklich produktiv im Einsatz – nicht mehr nur als „Proof of Concept“.
Fabian: Ganz klar. Wie gesagt: Mercedes-Benz – 20 % Energieeinsparung im Lackierprozess durch KI. In der Lackieranlage steckt enorm viel Energie, wegen Heizen, Lüften, Trocknen usw. Wenn man dort 20 % einspart, ist das ein echtes Ergebnis. Andere Optimierungsmaßnahmen bringen oft nur 1–3 %.
Paulo: Und das wurde auch schnell umgesetzt?
Fabian: In dem Fall kenne ich den genauen Zeitrahmen nicht. Aber bei anderen Prozessen, etwa mit Kamerasystemen, sehen wir enorm kurze Zyklen. Da wird ein Prozessbild analysiert – etwa ob alle Anbauteile korrekt verbaut sind – und das System läuft nach wenigen Tagen. Ein Prototyp ist heute oft in einem Tag realisierbar. Viele Komponenten gibt’s als Plug-and-Play.
Ob man das jetzt schon KI nennt oder eher klassische Bildverarbeitung – geschenkt. Aber selbst komplexere KI-Anwendungen lassen sich schnell implementieren. Die Einführung von ChatGPT war da ein extremer Beschleuniger.
Paulo: Und auch das kommt schon bei euren Kunden an?
Fabian: Ja, auf jeden Fall. Noch zögerlich, aber es kommt. Ein Beispiel: Produktionsdaten in natürlicher Sprache abfragen – statt über Excel oder SQL. Ich stelle eine Frage in normalem Deutsch oder Englisch, und das System liefert mir Antworten oder Visualisierungen. Früher hätte ich dafür einen Experten gebraucht.
Paulo: Oder auch mit Dokumenten – z. B. Anleitungen oder Bedienhilfen.
Fabian: Ganz genau. Auch da schafft KI Zugänglichkeit – gerade im Shopfloor-Bereich. Mitarbeitende haben leichteren Zugang zu Wissen.
Paulo: Wenn ich dich richtig verstehe: Wer heute erst mit Lean oder Automatisierung beginnt, ist zu spät. Die großen Potenziale liegen jetzt in der Digitalisierung. Und die Lösungen sind da, schnell umsetzbar, skalierbar – z. B. mit IoT oder KI?
Fabian: Exakt. Digitalisierung ist kein einzelnes Projekt, das ich mal „durchführe“. Es ist ein strategischer Prozess, ein kontinuierliches Vorgehen – genau wie Lean. Aber wir haben oft noch nicht mal richtig damit angefangen. Es gab viele Insellösungen, ein paar Projekte hier und da. Aber echte, integrierte Strategien fehlen häufig.
Wir müssen Digitalisierung strategisch betrachten. Es reicht nicht, wenn wir sagen: „Wir haben fünf Initiativen, zehn Projekte, wir machen mal ein bisschen IoT.“ Sondern es muss im Kern des Unternehmens ankommen. Es muss ein Teil der DNA sein.
Paulo: Ein wichtiger Punkt – auch für das Management. Oft wird gefragt: Lohnt sich das überhaupt? Was kostet es? Wo ist der Return on Investment?
Fabian: Absolut. Diese Projekte müssen sich funktional lohnen – das ist klar. Wir hängen keine Sensoren irgendwohin, nur um Daten zu zeigen. Es muss ein konkreter Nutzen da sein. Aber solche Projekte haben noch viel mehr Vorteile.
Sie holen die Menschen ab. Das ist ein oft zitierter Punkt – aber extrem wichtig. Die Leute, die damit arbeiten, müssen verstehen, dass es ihnen hilft. Wenn ich also ein echtes Problem löse – zum Beispiel durch saubere Visualisierung von Prozessdaten – dann habe ich plötzlich Fürsprecher im Unternehmen. Leute, die sagen: „Das hilft mir in meinem Alltag.“
Und ja, dann kann man darauf aufbauen. Aber man darf nicht bei diesen Einzelprojekten stehen bleiben. Die Projekte müssen in eine Gesamtstrategie einfließen – mit der passenden Infrastruktur, mit Rollen, Teams, Know-how und auch dem passenden Datenverständnis.
Paulo: Wie genau sieht das aus?
Fabian: Es braucht ein grundlegendes Verständnis: Was wollen wir mit Daten tun? Was brauchen wir dafür? Welche Produkte oder Plattformen passen zu uns? Nicht alles ist von der Stange sinnvoll einsetzbar. On-Prem, Cloud, Hybrid – je nach Kunde und Szenario braucht es andere Ansätze.
Am Ende geht es darum, eine Strategie zu definieren, die zum Unternehmen passt – und diese dann auch langfristig umzusetzen.
Paulo: Aber trotzdem: In den Projekten selbst löst ihr immer konkrete Probleme?
Fabian: Ja, ganz klar. Die einzelnen Projekte sind wichtig. Wenn ich z. B. eine Qualitätsabweichung habe, dann will ich wissen, woran das liegt. Und wenn ich dafür verschiedene Werte aus unterschiedlichen Systemen kombinieren muss – dann hilft mir Digitalisierung genau dabei.
Und dann wird das Ganze strategisch richtig spannend. Denn wenn die Infrastruktur da ist, wenn die Prozesse definiert sind, dann kann ich schnell reagieren, neue Ideen umsetzen, Hypothesen prüfen. Ich kann sagen: „Hey, hängt diese Messgröße vielleicht mit dem Ausschuss zusammen?“ Und ich habe ein Team und ein System, mit dem ich genau das prüfen kann.
Wenn die Infrastruktur vorhanden ist, wenn Use Cases eingebettet sind in die Strategie, dann kann IoT wirklich seine Stärke zeigen. Dann entsteht ein Lifecycle-Management für diese digitalen Lösungen. Und das wird oft unterschätzt.
Wir erleben es häufig, dass wir zu neuen Kunden kommen, und dann sehen wir: Da hat mal jemand etwas ausprobiert – vielleicht ein Student mit einem Raspberry Pi, ein paar Sensoren, eine kleine Datenbank. Das hat funktioniert, war eine tolle Idee. Aber es wurde nicht weiter gepflegt. Es fehlt an Dokumentation, an Betriebskonzept. Und irgendwann funktioniert es nicht mehr – und keiner weiß, warum.
Paulo: Also fehlt es an Nachhaltigkeit im Sinne von Betrieb und Weiterentwicklung?
Fabian: Genau. Es geht noch nicht mal um Weiterentwicklung – einfach nur, dass es stabil läuft. Was mache ich, wenn die Hardware kaputtgeht? Wer tauscht sie aus? Wer weiß überhaupt noch, was da läuft?
Paulo: Und das ist auch ein Punkt, wo ihr sagt: Dafür braucht es ein Ökosystem im Unternehmen?
Fabian: Ja, aber es muss nicht hoch formalisiert sein. Es reicht, wenn klar ist: Was läuft wo? Wer ist zuständig? Was passiert bei Störungen? Und idealerweise gibt es ein Team, das das Ganze betreut – ein Team, das aus unterschiedlichen Bereichen kommt. IoT hat nämlich oft eine verbindende Wirkung: IT, OT (Operational Technology), vielleicht sogar Fachbereiche – alle arbeiten zusammen.
Wenn dieses Team sich regelmäßig austauscht und die Use Cases betreut, entsteht eine Struktur. Man weiß, was läuft, was sich verändert hat, was nicht mehr gebraucht wird. Und man kann fundiert entscheiden, was als Nächstes umgesetzt wird.
Paulo: Aber am Ende steht auch immer die Frage: Lohnt sich das?
Fabian: Ich habe bisher kaum Projekte gesehen, die sich nicht gelohnt haben – sofern sie sinnvoll aufgesetzt waren. Der Mehrwert muss natürlich klar sein. Manchmal ist er leicht quantifizierbar, z. B. 20 % Energieeinsparung. Manchmal ist es schwieriger – z. B. weil man Ausfallrisiken minimiert. Aber auch das ist extrem wertvoll.
Ein Beispiel: Wir hatten eine Anfrage zu einem einzelnen PC, der irgendwo im Werk stand – kein Server, keine virtualisierte Umgebung. Auf dem lief eine ältere Software. Es stellte sich heraus: Wenn dieser PC ausfällt, kann das Unternehmen nicht mehr produzieren. Nicht für eine Stunde, nicht für einen Tag – sondern im Zweifel für Wochen. Manche Produkte könnten vielleicht irgendwann wieder laufen, aber bei anderen wären Rezepturdaten oder Parameter einfach weg.
Und das nur, weil kein Team da war, das sich um solche Digitalisierungsfragen gekümmert hat. Kein Monitoring, kein Backup, keine redundanten Datenflüsse – einfach niemand, der erkannt hätte, wie kritisch dieses Glied in der Kette ist.
Wenn man so was durchdenkt, ist klar: Digitalisierung ist auch Risikomanagement. Und das rechnet sich – ganz ohne Excel-Tabelle.
Paulo: Und das gibt es wirklich oft?
Fabian: Leider ja. Gerade bei Sondermaschinen. Da steckt viel proprietäre Technik drin. Die Steuerung stammt von einem Anbieter, die Software ist vielleicht sogar kundenspezifisch angepasst – und das Wissen dazu liegt bei niemandem mehr im Haus.
Dann hat man plötzlich Komponenten aus den 80er Jahren in der Linie – und keine Ahnung, was passiert, wenn die ausfallen. Vielleicht ist da ein alter SPS-Controller drin, aber keiner weiß, wie die Software aussieht. Und spätestens dann wird’s gefährlich.
Paulo: Und dafür braucht es eben ein digitales Team – interdisziplinär und zukunftsgerichtet.
Fabian: Ganz genau. Es geht nicht nur um Altlasten. Es geht auch darum, was passiert, wenn ich morgen eine neue Maschine kaufe. Wie fügt sich die ein? Wie ist sie steuerbar? Wie wird sie vernetzt? Wie lässt sich die Schnittstelle absichern?
Paulo: Und würdest du sagen, dass auch IT-Security ein Thema für so ein Digitalisierungsteam ist?
Fabian: Das ist eine schwierige Frage. Natürlich spielt IT-Security eine Rolle – gerade bei IoT. Sensoren können potenzielle Angriffspunkte sein. Oft hat man geschützte Produktionsnetze, getrennt von IT-Netzen. Aber wenn wir mit IoT-Systemen Daten aus dem Produktionsnetz herausbringen wollen, brauchen wir Durchstiche – also Verbindungen nach außen.
Früher hat man das oft einfach „rübergeworfen“: Ein Ticket bei der IT eröffnet, „bitte Port XY öffnen“, und gut ist. Aber das ist nicht nachhaltig und nicht sicher.
Eigentlich brauchen wir Security-Expert:innen von Anfang an im Team. Vielleicht kommen die aus der internen IT, vielleicht von Dienstleistern. Aber sie müssen einbezogen werden. Denn wenn wir diesen Weg einmal sauber definieren, dann können wir ihn auch immer wieder nutzen – in anderen Werken, bei anderen Anlagen, mit ähnlichen Anforderungen.
Das schafft Verlässlichkeit, Wiederverwendbarkeit und Sicherheit. Und dann wird daraus ein standardisierter Baustein, der dokumentiert und nachvollziehbar ist.
Paulo: Also: Security ist kein „extra Thema“, sondern sollte mitgedacht werden – und im Team verankert sein?
Fabian: Genau. Und dafür braucht es Offenheit. Die Security-Expert:innen müssen verstehen, was technisch notwendig ist. Und wir müssen verstehen, was sicherheitsrelevant ist. Nur so entsteht ein gemeinsames Verständnis und ein sicherer, flexibler Weg für zukünftige Lösungen.
Paulo: Okay – dann versuche ich mal, das, worüber wir jetzt gesprochen haben, zusammenzufassen... Du sagst: Mit klassischer Automatisierung und Lean lassen sich heute nur noch begrenzt Effizienzgewinne erzielen – das ist Commodity. Digitalisierung hingegen, insbesondere IoT und KI, bietet neue, große Potenziale. Sie ist strategisch wichtig, schnell umsetzbar und zukunftsrelevant.
Mercedes-Benz konnte z. B. durch KI in der Lackierung 20 % Energie einsparen – das ist ein konkreter, realer Nutzen. Gleichzeitig sagst du, Digitalisierung darf kein Einzelprojekt sein. Sie muss als strategischer Prozess verstanden werden – mit Team, Struktur, Infrastruktur, Know-how und Betriebskonzept.
Die kleinen Projekte – Use Cases – sind wichtig, um Begeisterung zu schaffen und echte Probleme zu lösen. Aber sie müssen eingebettet sein in ein Gesamtbild. Und Digitalisierung bringt nicht nur Effizienz, sondern auch Risikomanagement. Beispiel: Wenn ein einzelner, alter PC die gesamte Produktion gefährdet, ist das ein Risiko, das man heute nicht mehr tragen sollte.
Ein gutes Digitalisierungsteam bringt unterschiedliche Perspektiven zusammen: OT, IT, Fachbereiche, Security. Und es schafft die Basis, um Daten sinnvoll zu nutzen – jetzt und in Zukunft.
Fabian: Sehr gut zusammengefasst.
Paulo: Zum Schluss hast du noch einen Gedanken angestoßen: Viele sagen „Daten sind das neue Gold“ – aber glauben nicht, dass das für sie selbst gilt. Vielleicht denken sie: „Das ist was für Tesla oder Mercedes, aber nicht für uns.“ Und genau das ist der Denkfehler.
Fabian: Ja. Das ist ein riesiger Knackpunkt. Dieses Denken aufzubrechen, das ist vielleicht unsere größte Aufgabe. Denn die Wahrheit ist: Wer heute nicht versteht, welchen Wert Daten haben, wird in Zukunft schwer mithalten können. Nicht jede Firma wird ihre Daten verkaufen oder eine Plattformstrategie fahren – aber Daten smart zu nutzen, das ist für alle wichtig.
Und wenn die Konkurrenz es versteht, und man selbst nicht – dann wird’s eng. Deshalb: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um zu starten. Nicht morgen. Jetzt.
Paulo: Das ist ein starkes Schlusswort. Vielen Dank, Fabian, dass du heute dabei warst. Ich hoffe, du hattest auch Spaß – ich auf jeden Fall. Und in der nächsten Folge sprechen wir dann konkret über Anwendungsfälle.
Fabian: Hat mir sehr viel Spaß gemacht – ich freue mich auf die nächste Folge!